Wenn man sich allenfalls die Internet-Links oder Büchertipps von meinen bisherigen Beiträgen etwas näher angesehen hat, dann kann man
daraus ersehen, dass der ‘traditionelle’ Schamane normalerweise aus einer bestehenden Kultur hervorgeht. Dabei zeigt sich, dass jede Kultur und Tradition eigene Weltbilder hat die teils
Ähnlichkeiten haben, teils aber auch sehr verschiedenen sein können. Dies sind dann jene Bereiche, die insbesondere mit der Mittel- und Oberwelt zu tun haben, und der Schamane besonders gut dort
wirken kann, wo sich die gemeinsamen Weltbilder überschneiden. Dabei erinnere ich mich an einen Besuch bei einem nepalesischen Schamanen, der mein ‘Krankheitsbild’ einerseits nicht verstehen
konnte, anderseits mir dann seine traditionelle Denkweise übergestülpt hat, inklusive der rituellen Handlungen die ich zu begehen habe – die wiederum ich nicht verstanden habe!
Obwohl manchmal als Plastik-Schamanismus belächelt, macht der neue ‘einheimische’ Neo-Schamanismus dadurch Sinn, dass es ein kulturell angepasstes
‘Schamanentum’ ist. Und ganz gleich welches ‘Schamanen-Kleid’ dabei übergestülpt wird, regional können wir uns dadurch verstehen, wissen ungefähr wie wir ticken und können aufeinander eingehen.
Das verwendete ‘Gewand’, gleich ob aus uns fremden oder heimischen Traditionen, verrät dabei meist noch etwas über den jeweiligen Neo-Schamanen und seine persönlichen Vorlieben. Aber bewusst muss
man sich sein, dass das zuerst einmal einfach nur ein ‘mentales Kleid’ ist, ein ‘geistiger Umhang’ der übergeworfen wird und mit dem man sich identifiziert. Jedoch gehört auch dies überwiegend
zur Mittel- und Oberwelt, und obwohl man damit einiges ‘heilend-schamanisch’ wirken und bewirken kann, fehlt immer noch der (authentische) Zugang zur Unterwelt.
Noch eines ist wichtig: ich habe bisher keine schamanisch-kulturelle Variante kennengelernt - auch nicht bei den Neo-Schamanen -, deren
Ausgangspunkt nicht Erde und Kosmos gewesen ist! Die Grundlage des Schamanismus, des schamanischen Heilens und Wirkens, ist die Natur in all ihren Erscheinungsformen und Elementen, sowie all
die Geister die daraus abgeleitet und angerufen werden. Der Mensch ist innerhalb dessen ein natürlicher Teil, und wenn er aus dieser Gesamtheit herausgefallen ist und/oder Unterstützung auf
seinem Weg braucht, hilft ihm der Schamane innerhalb des gemeinsamen weltlichen wie kulturellen Glaubenssystems. Bei den meisten physikalisch-medialen Bezugssystemen die ich kennengelernt
habe, spielt die Erde und Natur jedoch keine tragende Rolle, ein weiterer Grund, wieso ein physikalisches Medium und der (Neo-)Schamane nicht automatisch gleichgesetzt werden können.
Somit sehe ich persönlich die physikalische Medialität mehr als spezifischen und verlängerten, sowie kreativen Ausdruck, innerhalb eines schon –
mehr oder weniger – bestehenden kulturellen, spirituellen oder religiösen Systems. Kreativ vor allem auch darum, weil bisher nicht klar ist wo deren Grenzen liegt, ich selbst schon so viele
Möglichkeiten und Varianten gesehen, und noch von anderen mehr gehört wie gelesen habe. Und es ist gerade dieser ‘erweiterte Ausdruck’ durch die physikalische Medialität, der mich auf
vielfältige Weise angesprochen hat. Ausserdem wurde ich dadurch animiert, mein eigenes ‘spirituelles System’ noch einmal deutlich zu hinterfragen, anzupassen, sowie zu vertiefen. Ebenso mich
mit jenen inneren Mechanismen zu beschäftigen, die das alles überhaupt erst möglich machen, auf einer mehr persönlich-psychologischen, wie auch physikalisch-medialen Ebene.
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Soweit mir bekannt, gibt es zum Neo-Schamanismus bisher keine Gesamt-Darstellung, aber das Bücherangebot dazu ist gross, angefangen bei den
'Väter' des Core- und Neo-Schamanismus MICHAEL HARNER und CARLOS CASTANEDA. Besonders zu empfehlen die Bücher von SANDRA INGERMANN, z.B. jenes zusammen mit FRANK WESSELMANN, ‘Die schamanische
Erfahrung’. Ebenfalls lesenswert und mit einem physikalisch-medialen Kapitel, ausserdem das Buch ‘Die Kunst der Schamanin’, von BARBARA TEDLOCK.
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